Sonntag, 19. August 2012

Prince Charming's out - oder: warum niemand mehr strahlende Helden will

Prince Charming ist tot. Hoch lebe der dunkle Held!

So oder so ähnlich könnte die Schlagzeile der Fantasy-Version der Bild lauten. Denn seien wir doch mal ganz ehrlich: Wann haben zuletzt die wirklich strahlenden Helden, die Ritter ohne Fehl und Tadel die Bestsellerlisten erobert? Wisst ihr nicht? Ich auch nicht!

Sei es nun Edward Cullen aus Twilight, Christian Steele aus Fifty Shades of Grey oder Damon Salvatore aus Vampire Diaries- der wahnsinnig gut aussehende Mann mit dem dunklen Geheimnis ist im Trend.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum. Was ist an diesem Typus Mann so wahnsinnig toll und interessant? Warum mag niemand mehr good ol' Prince Charming?

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen Romanhelden gar nicht strahlend und rein genug sein konnten. Damals schmachteten die lesenden (und auch die filmeschauenden) Mädels Robin Hood und Aragorn, Atrejú und Prinz Lír an - alles Verkörperungen des absolut reinen Guten, Märchenprinzen, Ritter auf dem weißen Ross, Drachentöter und Erretter der holden Jungfrauen.


Schaut man allerdings heute in den Buchladen und schlägt ein x-beliebiges Buch auf, springen einen meist finstere Gestalten entgegen, geheimnisvolle, schwarzgekleidete Fremde, die so gar nichts Heldenhaftes an sich haben, sondern eher für Gänsehaut und Angstattacken sorgen sollten - eigentlich. Denn trotz aller Gefahr, die von ihnen ausgeht, reißt sich die fiktive Damenwelt regelrecht um sie. Und nicht nur die! Denn auch reale Frauen schwärmen immer öfter für einen erdachten "dunklen Helden".

Ich habe so meine Theorie, warum das so ist. Dunkle Helden wirken vielschichtig, man kann sie, so soll es jedenfalls den Anschein erwecken, nicht auf den ersten Blick durchschauen. Prince Charming schaut man an und weiß: Ah, da haben wir einen supernetten, charmanten Kerl, mit dem man ganz toll sein restliches Leben verbringen kann. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Beim dunklen Helden hingegen weiß man nie genau, worauf man sich einlässt. Die Jugend will Abenteuer erleben, rebellisch sein, und das funktioniert mit einem Prince Charming einfach nicht. Der erschlägt höchstens den Drachen, setzt einen vor sich in den Sattel und reitet mit einem in den Sonnenuntergang. Ein dunkler Held verspricht Gefahr, Geheimnis, man will ihn entschlüsseln und den Beschützerinstinkt in ihm wecken - braucht man bei Prince Charming nicht, der eilt einem schon zur Hilfe, wenn man auch nur zu laut atmet. Und ganz ehrlich, wie sexy ist so ein Prince Charming? Richtig, im Prinzip gar nicht, denn er soll ja für Tugend, Gerechtigkeit, Wahrheit, etc.pp. stehen. Und das ist langweilig, jedenfalls für die meisten jungen Mädchen von heute.

Aber sind wir mal ehrlich. Früher war die Prämisse von Märchen und Romanen auch eine ganz andere. Früher hat man einen Mann geheiratet, nicht weil man ihn liebte, sondern weil er eine gute Partie war. Was meint ihr, warum die edlen Retter in den alten Märchen immer Prinzen sind? Natürlich, weil sie Macht repräsentieren. Macht und Reichtum.

Heutzutage hat man das nicht mehr nötig. Die Frau ist emanzipiert, sie entscheidet selbst, wenn sie lieben will und ist nicht darauf angewiesen, sich von einem Mann versorgen zu lassen. Die Sicherheit, die Prince Charming garantiert, ist überflüssig, langweilig geworden, und damit auch er selbst. Wer sich in fiktive Welten flüchtet, möchte jetzt etwas gegen den Alltag haben, und so sucht man sich das genaue Gegenteil von dem, was man eigentlich wollen sollte (und meistens auch wirklich will): Den dunklen Helden, den unzuverlässigen Geliebten, um den man kämpfen muss, bei dem man nie weiß, was als nächstes kommt, welche Gefahr droht, welches Geheimnis gelüftet wird.

An und für sich halte ich das nicht einmal für verwerflich. Allerdings mache ich mir schon ein wenig Sorgen um die weibliche Jugend von heute. Denn die dunklen Helden sind in den seltensten Fällen die innig liebenden Gefährten, als die sie auf den ersten Blick erscheinen, nachdem die Romanheldin sie "gezähmt" hat. Nein, sie sind meist auch Kontrollfreaks, Unterdrücker, Peiniger. Sie wollen nicht, dass man mit anderen männlichen Wesen außer ihnen Kontakt hat. Sie wollen immer wissen, wohin man geht. Ihnen ist jedes Mittel recht, um ihre Frau bei sich zu behalten. Eine Trennung ist gleichbedeutend mit dem eigenen Todesurteil. Ist das wirklich das, was die jungen Mädchen von heute haben wollen sollten? Ein Leben wie im dunkelsten Mittelalter, in dem sie nichts, aber auch rein gar nichts selbst entscheiden dürfen?

Gut, das ist jetzt vielleicht übertrieben, aber ich meine, schaut euch doch mal Edward an! Wenn Bella sich mit Jacob trifft, dreht er vor Eifersucht gleich am Rad, und das würde er auch tun, wenn Vampire und Werwölfe keine natürlichen Feinde wären. Er beobachtet Bella im Schlaf, ohne dass sie was davon weiß. Er verfolgt sie. Und nein, das ist definitiv nicht süß! Heutzutage ist das eine Straftat, nennt sich Stalking. Dafür kann man sogar im Gefängnis landen, glaubt's oder nicht.

Also, ich bin ja dafür, dass wir einen Mittelweg zwischen Prince Charming und dem dunklen Helden finden. Das ist gar nicht so schwer, liebe Autoren! Nehmt einfach irgendeinen halbwegs anständigen jungen Mann aus eurer Umgebung, zum Beispiel euren lieben Neffen oder den Freund der Schwester, und schaut euch an, wie er sich verhält. Und wisst ihr was? Der wird garantiert tausendmal interessanter sein, als jeder Prince Charming oder dunkle Held es jemals sein könnte. Und nebenbei verdirbt er nicht eure Kinder.

2 Kommentare:

  1. Ha, ha, über ein ähnliches Thema habe ich letztens auch schon geschrieben. :D Cooler Artikel... mir fällt jetzt wirklich kein Jugend-Fantasy-Buch mit nem typischen Prince Charming ein...

    Aber der dunkle Held ist keine neue Erfindung. Den hat schon Lord Byron zu Beginn des 19. Jahrhunderts gern geschrieben und die AutorInnen heute greifen wieder drauf zurück.

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  2. Auf deinen Kommentar hin habe ich mir deinen Artikel jetzt auch mal durchgelesen. Der ist mir ganz entgangen :) Das mit Byron hatte ich noch nicht gewusst, aber ich habe mir schon fast gedacht, dass die Autoren von heute nur von alten Vorbildern abkopieren.

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