Mittwoch, 15. August 2012

Rezension: R. Scott Bakker - The Darkness That Comes Before

Anmerkung: Diese Rezension ist für das Fantasy Forum verfasst worden. Der Originalpost befindet sich hier. Nr. 43, vorletzer Post auf der Seite. Der zitierte User ("Harlekin") ist (natürlich) im Fantasy Forum registriert und nebenbei gesehen mein bester Freund. Und der im ersten Absatz erwähnte "lycidas" ist ebenfalls User des Forums; das Posting von ihm, auf das ich mich beziehe, findet man hier, zweiter Post von oben.

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Bakkers Weltentwurf ist sehr, sehr düster und pessimistisch. Es scheint fast, als gäbe es so gar nichts Schönes in dieser Welt. Wobei man erwähnen muss, dass Bakker durchaus versucht, zumindest die Landschaften hübsch zu beschreiben, aber leider bleibt es bei dem Versuch. Wie lycidas ein paar Posts vor mir schon sagte, hat Bakker wenig Talent dafür, Atmosphäre aufzubauen.

Ich bin ein Fan von gut ausgearbeiteten Weltentwürfen. Eärwa ist nicht platt, das nicht, aber...
manche Orte bleiben einfach ziemlich farblos, trotz exzessiver Beschreibungen und Infodump bis zum geht nicht mehr. Wirklich, Bakker erschlägt einen regelrecht mit Infos, mit Vorliebe mit Sachen, die der Protagonist weiß und an die der in den Momenten bestimmt nicht denkt.

Womit wir beim nächsten Thema wären: Die Protagonisten. Davon hat Bakker ja eine Handvoll. Und allesamt haben sie - Verzeihung - ein ganz schönes Ding an der Klatsche. Nicht einmal Achamian, der ja von diversen Leuten als einziger vernünftiger Charakter bezeichnet wurde, ist ganz frei von mentalen Problemen - nein, damit meine ich nicht seine Albträume, sondern seine ewigen Selbstzweifel und die Art, wie sich seine Gedanken oftmals im Kreise drehen. Wenn ihr mich fragt, leidet er unter Depressionen und akuten Minderwertigkeitskomplexen, gepaart mit einer gewissen Paranoia bezüglich des Consults (verzeiht, ich habe das Original gelesen und weigere mich, sie "Rathgeber" zu nennen - so ein dämliches Wort).

However. Cnaiür hat mich in vielerlei Hinsicht an Logan Ninefingers aus der First Law (zu deutsch: dingsda-Klingen)-Trilogie, aber auch an Khal Drogo aus dem Lied von Eis und Feuer erinnert. Aber ganz ehrlich, wann sind Fantasy-Barbaren je anders dargestellt worden? Richtig, so gut wie nie. Deswegen konnte ich das recht gut verkraften, zumal ich solche "unzivilisierten" Völker sowie ziemlich interessant finde. Manchmal sogar interessanter als diverse Hochkulturen.

Kellhus ist der wichtigste Charakter der ganzen Reihe. Das merkt man vor allem daran, dass er als schier übermächtig dargestellt wird. Was der alles kann... und ich habe das Gefühl, dass da in den Folgebänden noch einige Fähigkeiten obendraufgeschippt werden. Trotzdem - und das ist sehr erstaunlich, von solchen "Superhelden" bekomme ich normalerweise Ausschlag - finde ich ihn als Charakter äußerst faszinierend, ja, an manchen Stellen ist er mir sogar sympathisch. Ich mag die Art, wie er seine Umwelt betrachtet, auch wenn er das nie ohne eine gewisse Herablassung tut. Wie er sein Umfeld genau beobachtet, analysiert und alles Gesehene zu seinem Vorteil ausnutzt. Das aus Mimik-und-Gestik-Lesen hat mich sehr an die Fernsehserie "Lie To Me" erinnert (was nichts Schlechtes ist, ich habe diese Serie anfangs sehr gern gesehen).
 Ich habe jetzt schon einige Vermutungen, was Kellhus' weitere Stellung in der Geschichte angeht, aber dazu schweige ich erst einmal. Nur zum Thema Serwe (bei deren Namen ich immer an den Autobahnraststättenbetreiber oder, noch schlimmer, an die Fastfood-Kette denken muss) kann ich schon jetzt etwas sagen, ohne mich zum Deppen zu machen: Ich glaube nicht, dass Kellhus sich wirklich in sie verliebt hat, eher, dass er sich irgendeinen Vorteil aus der, uhm, Verbindung mit ihr erhofft. Für wahre Liebe ist er viel zu berechnend.

Esmenet und Serwe sind die einzigen weiblichen Perspektivträger - und beide Huren. Das finde ich persönlich schon too much. Esmenet ist anfangs sympathisch, aber ihr Herumgejammer stiehlt ihrer offensichtlichen Intelligenz die Show und stellt sie für mich irgendwann auf die gleiche Stufe wie Serwe, die ich absolut unerträglich finde in all ihrer weltfremden Naivität. Wie kann jemand, der von seinem eigenen Vater in die Sexsklaverei verkauft wurde, so schnell Vertrauen zu einem Fremden fassen? Das ist etwas unlogisch.

Mir fällt gerade auf, ich bin noch nicht näher auf Bakkers Schreibstil eingegangen. Nun, allgemein ist er ziemlich kalt, manchmal sogar recht steril. Das erstickt jede Atmosphäre im Keim. Die philosophischen Aspekte, die Bakker eingearbeitet hat, hätte man noch ein bisschen netter verpacken können, aber ansonsten fand ich sie sehr interessant. So etwas sieht man in der Fantasy-Literatur nicht ganz so oft, jedenfalls nicht in diesem Ausmaß.

- Zitat von Harlekin:
Die zahlreichen historischen, religiösen und kulturellen Anspielungen sind mal subtil (die Fehde zwischen Nansur und Kian als Parallele zu den byzantinisch-osmanischen Kriegen), mal offensichtlich (Aufruf zum Kreuzzug und Maithanets epische "Deus lo vult!"-Rede) und in einigen Fällen leider auch erschreckend platt (Inri Sejenus ). -

Das kann ich nur so unterschreiben. Die Rede von Maithanet fand ich ein bisschen zu pathetisch, aber wiederum finde ich sowieso, dass Reden schreiben eine hohe Kunst ist. Deswegen mache ich es keinem Autor zum Vorwurf, auch nicht Bakker (wobei man von ihm als Student von gefühlten tausend Fächern vielleicht ein bisschen mehr erwarten könnte).

Zu den Namen...
- Zitat von Harlekin:
Exotische Namen mit überflüssigen Akzenten und Tremata mögen in der Fantasy zwar weit verbreitet sein, aber man sollte sie zumindest aussprechen können, zumal die Schreibweisen oft keinen Sinn ergeben. Glücklicherweise finden sich im Anhang Aussprachehilfen zu den Namen der Protagonisten, denn ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, Cnaiürs Namen "Nayur urs Skiota" auszusprechen. -

Ja, gerade die Aussprache fand ich ich sehr gewöhnungsbedürftig. Anfangs musste ich ständig nachschlagen, das hat mich ziemlich aus dem Fluss gerissen. Irgendwann habe ich mich daran gewöhnt. Aber trotzdem, wenn dann ein Charakter aufkreuzt, der Coithus heißt, frage ich mich schon, was zum Teufel Bakker da geritten hat. Das ist ja fast genauso schlimm wie das schwarze Sperma der Bösewichter (die ohnehin sehr plakativ sind, da hätte man auch einfallsreicher sein können).

So, und nachdem ich jetzt alles andere gesagt und mich in meinen eigenen Fäden verheddert habe, kann ich ja endlich mal zur Handlung kommen.

Kurzfassung: Auf langen Strecken langweilig.

Detaillierte Fassung: Das ganze Buch liest sich wie eine einzige Einführung. Natürlich, Welt und Charaktere sind komplex, aber wenn man bedenkt, wie viele Bände Bakker dafür hat, sie vorzustellen, dann ist hier einfach zu viel Infodump gegeben. Manchmal wird man davon ja regelrecht erschlagen.
Die Bedrohung durch den Consult und die Jagd nach den Spionen ebendieses fand ich von allen Handlungssträngen am interessantesten. Esmenets war ziemlich gähn, meist hat sie sich ja doch nur in ihrem Selbstmitleid gesuhlt. Serwes' Sicht hätte man sich meiner Meinung nach ganz sparen können, das Gejammer und später das Anhimmeln hing zumindest mir schnell zum Halse heraus.
Nun ja. Jedenfalls wurde ziemlich viel auf den Holy War hingearbeitet, was ja an und für sich gut ist - man muss schließlich die Hintergründe kennen, sonst macht das Ganze ja keinen Spaß -, aber ganz ehrlich, in einer solchen Länge hätte ich das nun nicht unbedingt gebraucht.

Zusammenfassung: Bakker hat viele gute Ansätze, nutzt das Potential der Geschichte aber nicht zur Gänze aus. Er verheddert sich gerne in seinen eigenen Fäden, tritt auf der Stelle herum, zieht Sachverhalte in die Länge oder erklärt sie gleich tot. Es kommt so gut wie keine "weltliche" Atmosphäre herüber, vieles wirkt steril, die Charaktere handeln manchmal nicht ganz nachvollziehbar (ich sage nur Cnaiür). Dafür hat Bakker ein Händchen für Dialoge, zumindest ich fand sie ziemlich glaubwürdig, nur selten wirkte etwas pathetisch.
Der düstere Weltentwurf gefällt mir gut, auch wenn manches lieblos hingerotzt wirkt. Bakker schien sich auf die Charaktere und psychologische sowie philosophische Aspekte konzentrieren zu wollen.
Die Machtkämpfe zwischen den Charakteren, die ewigen subtilen Gedankenspiele, sind gut ausgearbeitet, und nicht ein einziges Mal hat sich Bakker in seinen Intrigen verheddert. Das ist auch eine hohe Kunst, die gelernt sein will.
Der sparsame Einsatz von Magie wäre für mich eigentlich ein Pluspunkt... wären da nicht gewisse ekelhafte Absonderlichkeiten, die nun wirklich nicht hätten sein müssen. Wenn sogar ich etwas schon ihbäh finde, dann hat das was zu heißen, denn ich bin eigentlich ziemlich abgehärtet, was das angeht (besides, was Sex in Bücher angeht, bin ich eigentlich auch nicht empfindlich, aber hier ist mir das echt viel zu viel. Bei Bakker ist ja anscheinend wirklich jeder Charakter triebgesteuert, ob nun Männlein oder Weiblein).

Von mir bekäme das Buch max. 3/5 Sternen. Es ist nicht so, dass es mir nicht gefallen hätte, nur hat es sich recht zäh lesen lassen, und unter Anbetracht der angesprochenen Schwachstellen kann ich einfach nicht mehr Punkte vergeben.

Die nächsten beiden Bände werde ich mir demnächst einmal zur Brust nehmen. Ausführliche Rezensionen folgen dann.

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