Samstag, 9. März 2013

Rezension: Philip José Farmer - Riverworld 01. To Your Scattered Bodies Go & 02. The Fabulous Riverboat



Inhaltsangabe

Stell dir vor, jeder Mensch, der je gelebt hat, von den ersten Neanderthalern bis zur Gegenwart, wird nach dem Tod an den Ufern eines erstaunlichen und scheinbar endlosen Flusses in einer unbekannten Welt wiederauferstehen. Sie werden wundersamerweise mit Nahrung versorgt, wissen aber nichts über die Bedeutung dieses seltsamen Nachlebens. Und so müssen Billionen von Menschen aus der Vergangenheit und zuvor erneut zu leben beginnen.

Einige hissen die Segel auf der Suche nach der Bedeutung ihrer Wiederauferstehung, und um ihre mysteriösen Wohltäter zu finden und zu konfrontieren. Auf dieser langen Reise treffen wir Sir Richard Francis Burton, Mark Twain, Odysseus, Cyrano de Bergerac und viele andere, von denen die meisten ihre eigene Suche in diesem überwältigenden Nachleben beginnen.
(Übersetzung des Klappentextes durch mich)

Rezension

Riverworld ist ein Klassiker der Science Fiction - jedenfalls habe ich mir das sagen lassen; ich selbst habe von der Reihe noch nie etwas gehört und bin nur zufällig in der Bibliothek darüber gestolpert. Ich habe, wie man am Cover sieht, die englische Ausgabe von 2010 gelesen. Kurz zur Aufmachung: Das Cover passt zum Inhalt wie Arsch auf Eimer. Etwas, das man heutzutage auf diese subtile Art leider nur noch selten sieht.

In To Your Scattered Bodies Go machen wir Bekanntschaft mit dem Perspektivträger Sir Richard Francis Burton. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, wer das war, aber Farmer hat seine Recherche so gut (und nur mit gelegentlichem Infodumping) in den Text einfließen lassen, dass ich es während des Lesens herausgefunden habe, ohne Tante Google zu bemühen. (Wem der Name ebenfalls nichts sagt: Burton hat unter anderem Tausendundeine Nacht aus dem Arabischen ins Englische übersetzt.) Leider zerstört Farmer den guten Eindruck zuweilen damit, dass er mitten im Text vom personalen zum auktorialen Erzähler wechselt. Das störte meinen Lesefluss extrem.

Auch sonst ist To Your Scattered Bodies Go eine anstrengende Lektüre. "Intellectual daring prose"? Nur, wenn man darunter versteht, dass der Autor einen so lange mit nichtssagenden, unwichtigen Situationen und Blabla zuschüttet, bis das Hirn vollkommen abschaltet.
Das ist jetzt natürlich stark übertrieben, aber leider doch recht nah an der Wahrheit. Man hätte vieles, so zum Beispiel die ständig wiederkehrenden Beschreibungen der Flusswelt, die so ziemlich überall gleich aussieht und sich nie ändert, herauskürzen können.

To Your Scattered Bodies Go krankt leider auch an den Dialogen. Hier ist der Infodump am deutlichsten. Die Figuren vermitteln Informationen und Erklärungen zu ihrer Vergangenheit und der Zeit, in der sie gelebt haben, sowie zu bestimmten anderen Dingen, die eigentlich nicht in einen realistisch wirkenden Dialog passen. Auch wirkt die Sprache in vielen Fällen sehr hölzern, und es gibt keine allzu großen Unterschiede zwischen den Figuren, und das, obwohl die Mitglieder der Gruppe, die Richard Burton um sich versammelt, allesamt aus unterschiedlichen Epochen und Kulturen stammen. Etwas mehr Differenzierung hätte dem Buch gut getan, auch bei der Charakterisierung der einzelnen Figuren.

Riverworld 01 ist, kurz gesagt, ein Buch mit einer hochinteressanten Grundidee - ich kann leider nicht mehr verraten, ohne zu spoilern, ihr müsst euch deshalb leider mit der Inhaltsangabe zufrieden geben - und einer Umsetzung, die an einigen signifikanten Stellen krankt. Das Erzähltempo ist viel zu gemächlich, die Figuren sind, wenn auch nicht unglaubwürdig, leider viel zu wenig differenziert, die Dialoge hölzern.

Pro und Kontra

+ interessante Grundidee

+ gut eingeflochtene Recherche
+ glaubwürdige Figuren

- zu gemächliches Erzähltempo
- hölzerne Dialoge
- zu wenig Differenzierung bei Charakterdesign und Sprache

2/5 Punkten

Im krassen Gegensatz zu Band 1 steht The Fabulous Riverboat. Dieses Buch hat so ziemlich alles, was To Your Scattered Bodies Go fehlt. Aber eins nach dem anderen.

Die Erzählperspektive ist auch hier personal, dieses Mal ohne Ausflüge ins Auktoriale. Hauptfigur ist Samuel Longhorn Clemens, besser bekannt als Mark Twain. Diese Figur ist genauso interessant, wie man sie sich vorstellt. Farmer hat hier extrem eingehende Recherche betrieben, vermutlich noch mehr als bei Richard Burton, und das tut der Geschichte extrem gut. Mark Twain selbst würde vermutlich in die Hände klatschen, so realistisch ist die Darstellung durch Farmer. Wobei ich vermutlich mal wieder übertreibe, aber das soll die Leistung Farmers nicht schmälern.

Der Schwerpunkt von The Fabulous Riverboat liegt auf Rassismus und der Ausbeutung der Natur durch den Menschen, sowie den Kampf um Rohstoffe. Die Sozialkritik ist als großer Traum Mark Twains verpackt, nämlich den Bau eines riesigen Schiffes und die Reise zur Quelle des Flusses, um die Ethicals, wie die mysteriösen Wohltäter genannt werden, welche die gesamte Menschheit ins Leben zurückgerufen hat, zu stellen und zu vernichten.
Hilfe bekommt er dabei vom Mysteriösen Fremden, einem (angeblich) abtrünnigen Ethical, der für ihn unter anderem einen Meteoriten umlenkt, damit er auf der Flusswelt landet und Twain mit den nötigen Ressourcen für den Bau des Schiffes versorgt. Außerdem versorgt er Twain mit Informationen über den Grund der Wiederbelebung (wie er es auch schon in To Your Scattered Bodies Go mit Burton getan hat). Alles in allem eine sehr zwielichtige Persönlichkeit, der Twain zutiefst misstrauisch gegenübersteht, auch wenn er extrem auf ihre Hilfe vertraut.

Das Erzähltempo und der Stil von The Fabulous Riverboat sind um Welten besser als im Vorgänger. Die Geschichte wird packend, actionreich und mit Tiefgang erzählt, ohne den unnötigen Infodump, der mir den Genuss von To Your Scattered Bodies Go so vergällt hat. Die Dialoge sind zwar ab und an immer noch etwas hölzern, alles in allem aber glaubwürdig.

Außerdem sind die anderen Figuren, die Twain zur Seite stehen, nicht mehr nur schnöde Pappaufsteller, sondern für den Verlauf der Geschichte vitale, eigenständige Persönlichkeiten. Auch hier wurde gut recherchiert, und es lässt sich auch endlich eine Differenzierung erkennen, auch, was die Sprache der Figuren und deren Verhalten angeht.

The Fabulous Riverboat hat sich als wahrer Pageturner erwiesen. Das Buch hat mir viel Freude bereitet, vor allem durch den erstaunlich intelligenten Titanen Joe Miller (der natürlich nicht wirklich so heißt), der Twain als Bodyguard und Freund zur Seite steht und für sein Leben gern philosophiert. Solcherlei wäre in To Your Scattered Bodies Go nicht denkbar gewesen. Von daher: Eine große Verbesserung, die Geschichte packt den Leser jetzt endlich und regt zum Mit- und Nachdenken an.

Pro und Kontra

+ packende Storyline
+ gut recherchierte, glaubwürdige Figuren
+ subtil eingeflochtene Gesellschaftskritik
+ philosophische und psychologische Aspekte

- zu ausschweifende Landschaftsbeschreibungen

- zu viele Zufälle
- teilweise hölzerne Dialoge

4/5 Punkten

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